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25. Juni 2018 | JUGEND

Kategorie "Mein besonderes Pferd" - Jörp von Oberbillstein (Alexandra Schrell)

Ich weiß nicht, was meine erste Erinnerung an die kleine, braune Stute mit den schwarzen Beinen ist, aber ich weiß, dass die Erinnerung alt ist. Sehr alt. Denn Jörp ist Teil meines Lebens und das war sie schon immer. Seit ich denken kann, ist sie da und auch schon davor. Nur fünf Minuten mit dem Auto entfernt steht sie auf einem wundervollen Hof mit Laufstall, täglichem Weidegang und zusammen mit Freundinnen und ihrer Verwandten Randalin, unserem zweiten Pferd. Doch erst in den letzten zwei Jahren habe ich begriffen, was für ein Glück ich mit diesem einzigartigen Islandpferd habe. Die restlichen zehn Jahre davor habe ich es kaum wahrgenommen. Es war einfach unser Pferd, das ich reiten konnte, weil das Andere zu schwierig für mich war. Erst nachdem ich meinen Basispass im Januar 2016 gemacht hatte, fiel der Zeiger von „Standby“ auf „On“ und es war nicht mehr unser Pferd, sondern meine Jörp!

Jeden Tag, den ich erübrigen kann, bin ich auf dem Hof. Vorher hatte ich dort kaum Freunde, weil es niemanden in meinem Alter gab. Doch beim Basispass hatte ich eine Freundin kennengelernt. Ich sah sie nur, wenn wir beide zur selben Zeit dort waren und das passierte schon viel zu selten. Aber nicht nur wegen ihr war ich nun oft dort: Jörp war ebenfalls da und lebte ihr Leben.

Als meine Eltern sie - noch vor meiner Geburt - von einem Züchter in Oberbilstein kauften, war sie fünf. Damals sind die Beiden sie nicht einmal Probe geritten - meine Mutter hatte sich schon unsterblich verliebt. Ein Jahr später folgte das zweite Pferd, unsere Scheckstute Randalin, auch Line genannt. Doch zu ihr baute ich nie eine so starke Verbindung auf, wie zu meiner Jörp. Ich kannte Line einfach nicht so gut wie Jörp, denn ich war sie kaum geritten. Doch das will ich hier ja gar nicht erzählen. Zwar stand ich die ersten zehn Jahre auf „Standby“ was Pferde - und vor allem unsere Isis - angeht, aber immerhin stand ich nicht auf „Off“. Denn dann wäre ich jetzt gewiss nicht so sicher auf Jörp wie jetzt. Dazu muss man sagen, dass ich das Reiten nicht klassisch auf einem Sattel gelernt habe, sondern auf einem Pad, an dem ein Gurt mit einem Griff befestigt ist. Zum ersten Mal saß ich mit knapp zwei Jahren auf meiner Jörp. Von dieser Zeit gibt es diverse kleine Geschichten von der hübschen Stute und mir: Einmal war ich mit meiner Mutter ausreiten. Wir wollten angaloppieren, doch Jörp war zu langsam und meine Mutter musste den Strick, an dem sie mich „ausreiten führte“ loslassen. Sicher und ungerührt galoppierte Jörp weiter den Hang hinauf, bis wir unsere Begleiter eingeholt hatten.

Ein andermal wurde ich auf Jörp in unsere Stallgasse geführt - diesmal ohne Pad und Griff. Langsam rutschte ich in meiner Regenhose zur Seite. Eigentlich erkannte meine Mutter noch rechtzeitig, dass ich im Begriff war, herunterzurutschen. Aber sie bekam nur meinen Gummistiefel zu packen, ich lag schon unten - ohne Schuh am rechten Fuß.

Schon mit sechs hatte ich die Zügel dann selber in der Hand, doch immer noch saß ich auf meinem geliebten Pad und auf Jörp. Erst als ich mit acht zum ersten Mal die Reiterferien auf unserem Hof mitmachen wollte, - natürlich auf Jörp, denn das war etwas billiger und bot sich einfach an - musste ich auf einen Sattel umsteigen. Zuerst fiel es mir schwer, im Trab das Gleichgewicht zu halten und ich war immer der Ansicht gewesen, dass Leichttraben ohne Sattel viel einfacher wäre, als mit einem. Tja, in diesem Punkt hatte ich mich getäuscht… Jörp hatte mir immer verziehen, wenn ich ihr einmal mehr in den Rücken gerumst war. Sie ist einfach total lieb, fast schon fürsorglich. Zwar kann sie manchmal auch etwas zickig sein, aber sie ist halt ein Lebewesen und niemand ist perfekt!

Auch aus dieser Zeit gibt es eine kleine Geschichte: Wir waren ziemlich am Ende unseres „Hausbergs“ angekommen und wir wollten - wie immer - dort antraben. Das erste Stück funktionierte ganz gut. Ich weiß nicht, was passiert war, aber plötzlich lag ich neben meinem Pferd! Vermutlich ist sie gestolpert und ich war nicht darauf vorbereitet, sodass ich aus dem Sattel geschleudert wurde. Dank Sicherheitsweste ist mir nichts passiert. Jörp war einfach stehen geblieben und hatte mich neugierig beschnüffelt.

Aber selbst damals wollte ich lieber zuhause in meinem Zimmer ein Buch lesen, als am Wochenende meine Zeit auf einem Hof voller Islandpferde zu verbringen. Dann bestand ich, wie oben schon erwähnt, den Basispass vom IPZV, den ich zusammen mit Jörp absolvierte. Ab da wuchsen wir richtig zusammen. Dadurch, dass ich nun sehr viel mehr Zeit auf dem Hof verbringe - vor allem in den Ferien - fiel mir erst jetzt auf, wie viele tolle Pferde an diesem Ort ihr Leben führten und trauriger Weise auch ließen. Solche Ereignisse geschehen überall auf der Welt, doch zum Glück nicht zu oft. Uns hat es jedenfalls noch nicht getroffen.

Aus dieser Zeit gibt es ebenfalls eine kleine Geschichte, die sich in einem guten Winter oft wiederholt: Das Schlittenfahren! Zu Weihnachten habe ich ein Geschirr bekommen, den alten Holzschlitten hatten wir noch im Keller. Mit ein bisschen Material baute mein Vater noch eine Deichsel und schon konnte es losgehen. Das Lenken war nicht schwer - jedenfalls nicht für Jörp. Sie war das von der Doppellonge gewohnt, aber ich musste mich da erst reinfummeln. Immer wenn genügend Schnee liegt, holen wir das Pferdegeschirr und den Schlitten aus dem Keller, packen alles ins Auto und fahren zum Hof. Dort spannen wir Jörp und auch Line an und schon kann es losgehen, erst im Schritt, dann im Trab und manchmal, wenn die Pferde in der Stimmung dazu sind, auch im Galopp über die Ovalbahn. Nicht nur wir sind auf diese lustige Idee gekommen: Einige Einsteller haben sich selbst ein solches Gefährt gebaut oder gekauft und tuckern damit, genau wie wir, über die Bahn.

Turniere sind nochmal ein Kapitel für sich. Ich bin kein Turnierreiter und Jörp auch kein eigentliches Turnierpferd. Zwar waren meine Eltern auf Turnieren recht erfolgreich, aber immer nur in Geschicklichkeit oder Doppellonge. Ich selbst will überhaupt keine Turniere gehen und wollte es auch nie. Jörp und ich gehören zwischen Wiesen und Bäumen unter den freien Himmel. Allerhöchstens reite oder bewege ich sie in der Halle, auf der Ovalbahn, im Roundpen oder auf dem Platz. Aber Turniere kommen für uns nicht in Frage!

Inzwischen habe ich ein Pflegepferd, das ich über alles liebe und auch manches Schul- oder Jungpferd hat mir schon das Herz gebrochen. Aber die kleine, braune Stute mit den schwarzen Beinen blieb immer und keiner kann sie übertreffen! Sie ist wie eine große Schwester, eine fürsorgliche Mutter und eine nette Lehrerin zugleich. Jetzt ist sie 25 Jahre alt und sie hat das letzte Drittel ihres Lebens erreicht. Noch ist sie topfit, aber niemand weiß, wie lange das noch anhält. Also verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit meinem Seelenpferd. Dem Pferd, das ich mein Leben lang kenne. Dem Pferd, dem ich voll und ganz vertraue. Dem Pferd, welches für mich ein ganz Besonderes ist!

Mit meiner Jörp!

Alexandra Schrell, 13 Jahre